Dienstag, 5. Februar 2013

Go und Tee, der nach Himmel duftet

In einem Teehaus gibt es auch Tee und natürlich Kultur, nicht nur das Gelaber der Wirtin. Heute also ein Tee- und Buchtipp:

Tee des Tages: Limetten-Ingwer-Zitronengras
 Diesen Tee habe ich zum ersten Mal in einem chinesischen Restaurant - nein, keines dieser Süßsauer-Bunker, ein gutes mit vernünftigen, gut gekochten chinesischen Gerichten - getrunken und war total begeistert: Er duftet einfach himmlisch, hat eine zartgrüne Farbe und erfrischt ungemein! Im Sommer werde ich ihn mal als Eistee probieren.
Heute trinke ich ihn warm, ihn sich selbst zuzubereiten, ist ganz einfach: Besorgt euch frischen Ingwer, Limettenblätter und frisches Zitronengras (alles Asialaden oder Wochenmarkt). Schneidet fünf große Scheiben Ingwer und einen Stängel Zitronengras klein und gebt alles in eine Kanne. Die vier Limettenblätter können als Ganzes hinein. Dieses Mischungsverhältnis mag ich am liebsten, aber wie viel es letztlich von jeder Zutat wird, hängt von eurem Geschmack ab. Gießt alles mit kochendem Wasser auf und lasst den Tee zehn Minuten ziehen. Die Zutaten müsst ihr nach der Ziehzeit übrigens nicht herausnehmen: Der Tee wird nicht bitter, nur leicht intensiver.

Buchtipp: "Die Go-Spielerin" von Shan Sa

"Die Go-Spielerin" ("La Joueuse de Go") erschien  2001 auf Französisch, ein Jahr später auf Deutsch. Shan Sa behandelt darin die Liebe zwischen einem japanischen Leutnant während der Besetzung der Mandschurei 1937 durch Japan und einer chinesischen Widerstandskämpferin. Die Handlung wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive der Frau und des Mannes erzählt.
Die Frau spielt täglich auf einem Platz Go, ein Strategiespiel, das dem europäischen Mühle ähnelt. Sie ist sehr selbstbewusst und möchte nicht das Leben führen, das die Familie von ihr erwartet. Genauso wenig hat sie Lust, sich von den Rebellen instrumentalisieren zu lassen und als "Frau von" zu enden.
Der Mann wird als Agentund geschickter Go-Spieler  auf den "Platz der Tausend Winde" geschickt, um mehr über die Widerständler herauszufinden. Er  hadert mit dem Krieg, den er für nötig hält, aber nicht gut heißt, und will nach dem Tod seines Vaters seine Pflicht als Familienoberhaupt übernehmen, indem er sich für sein Land einsetzt. Auf dem Platz begegnet er der Frau. Die beiden werden Gegner auf dem Spielfeld und entwickeln eine große Zuneigung zueinander, ohne zu wissen, wer der andere wirklich ist.
Ich mag die "Go-Spielerin", weil es eine klassische, tragische Liebesgeschichte ist, ohne kitschig zu sein oder Klischees zu bedienen. Die junge Frau ist ein gut ausgeformter, eigener Charakter, der eigene Entscheidungen trifft, kein Naivchen, das in die Tragik stolpert. An beiden Protagonisten handelt Shan Sa leicht und elegant die Zwänge und das Denken dieser Zeit ab: Der Leutnant ist kein böser Mensch, aber er ist vor allem anfangs der Hetze und der Propaganda erlegen. Er akzeptiert die sehr harte Erziehung der damaligen Zeit als gegeben, auch wenn er darunter leidet. Die Go-Spielerin ist bei den Rebellen, kämpft aber vor allem für sich, für ihre Freiheit. Die Regeln für Frauen in der chinesischen Gesellschaft waren sehr strikt, der Aufbruch, den das Land damals in vielen Dingen vollzog, ging an den Frauen fast vorbei. Die Go-Spielerin möchte frei sein von der Besatzung, aber auch frei von diesen starren Regeln und selbst bestimmen. Zugleich weiß sie, dass diese Freiheit unter den gegebenen Umständen kaum möglich sein wird.  Shan Sa bietet also eine Momentaufnahme der historischen Gegebenheiten, verpackt in den gelungenen Psychogrammen ihrer zwei Protagonisten.
Das Buch erhielt 2004 den Kiriyama-Preis und den Preis der chinesischen Schriftstellervereinigung.
Shan Sa (*1972) galt als literarisches Wunderkind, da sie bereits mit acht Jahren einen Gedichtband veröffentlichte und mit 15 Jahren in den chinesischen Schriftstellerverband aufgenommen wurde. Da sie an den Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen, 天安门)  1989 teilgenommen hatte, floh sie nach Frankreich, wo sie bis heute lebt. Sie schreibt ihre Bücher auf Französisch.


Sonntag, 27. Januar 2013

Im deutschen Amts-Kindergarten

Ich war jetzt mal einen Monat arbeitslos. In der deutschen Mittelschicht ist das etwas ganz Schlimmes, besonders, wenn man ein Studium und eine Berufsausbildung und auch noch Berufserfahrung hat und so etwas eigentlich nicht passieren darf.
Nun war ich noch nie arbeitslos, also noch nie so, dass ich Geld vom Amt bekommen hätte. (Wobei, ohne Arbeit bin ich eh nie, nur ohne Lohn war ich eben. :) ) Und ich muss sagen, eine interessante Erfahrung ist das, so ein Arbeitsamt. Ich bin ja schon ein halbes Jahr vor meiner Beschäftigungslosigkeit hingerannt, weil mein damaliger Zeitvertrag ausgelaufen ist. Die Sachbearbeiter waren alle freundlich, aber ich hatte nur alle zwei Monate einen Termin und den dann immer bei einem anderen Beamten, dem ich noch einmal alles von Adam und Eva an erzählen durfte. Ist das Absicht oder bloß schlechte Organisation? Jedenfalls: Beamtin A wollte mit mir mein Fähigkeitenprofil ausfüllen, eine ganze halbe Stunde lang. Als ich meinte, das sei Unsinn, denn ich könne das sehr wohl alleine und ich wolle lieber eine richtige Beratung, war sie beleidigt. Die anderen beiden Beamten waren dann freundlicher, aber sie kamen mir auch reichlich ahnungslos vor. Tatsächlich habe ich vom Amt nur genau drei Stellenvorschläge erhalten. Natürlich bin ich selbst in der Lage, mir Arbeit zu beschaffen, nur frage ich mich, warum ich dann ständig im Amt antanzen und hunderte von Bögen ausfüllen soll.
Wie ich erfahren habe, habe ich mich eine Woche zu spät gemeldet - also zu spät gesagt, dass mein Vertrag ohne Verlängerung ausläuft - und wurde deshalb eine Woche gesperrt. Das heißt so, wenn man kein Geld kriegt, weil man ein böser, unartiger Arbeitnehmer/Arbeitsloser war. Soll man sich wohl hinter die Löffel schreiben. Wegen dieser Woche musste ich also hunderte Kopien von hunderten von Bögen anfertigen, die ich an alle möglichen Versicherungen - der Deutsche hat ja Unmengen davon - schicken musste. Denn für diese Woche müssen alle errechnen, was ich ihnen schulde. Ist das ökonomisch? Ich glaube, der Verwaltungsaufwand kostet mehr als meine kleine Zahlung. Aber wenn es dem deutschen Beamten Freude macht, will ich ihm die nicht verderben.(Ich bin da hart im Nehmen, ich kenne den Verwaltungsapparat der  Volksrepublik China. :P )
Überhaupt war ich angesichts der Liste, weswegen man alles gesperrt werden kann, heilfroh, einen Zeitvertrag zu haben! O_O Es ist so in diesem Land, dass du dich mit einem unbefristeten Vertrag komplett an deinen Arbeitgeber verkaufst.Wusste ich gar nicht zum Beispiel. Bei netten Arbeitgebern ist das ja nicht so schrecklich, aber es gibt ja nicht nur nette. Nicht einmal eine gemeinsam vereinbarte Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ist erlaubt! Ich habe noch einmal tief durchgeatmet und meinem früheren Chef zumindest diesbezüglich gedankt. Nun konnte ich mir auch erklären, warum mich Beamtin A so scharf danach gefragt hatte, ob ich mich schon ordentlich um eine Verlängerung des Vertrags bemüht hätte. Das muss man hier so machen! Ich habe also gelernt, Sicherheit, also die totale Sicherheit, geht in Deutschland vor Engagement oder Begeisterung. Das erklärt mir auch die Büroleichen, die überall herumschlappen.
Was man noch tun muss - und da ging es bei mir an die Grenze der Würde, muss ich sagen - ist, bei jedem kleinen Job, den man annimmt, einen Zettel vorzeigen. Diesen Zettel muss dein Gelegenheitsarbeitgeber bei Androhung von Strafe ausfüllen für das Amt. Ich habe meinen Vertrag als frei Beschäftigte zwar im Amt vorgelegt und auch angeboten, meine Kontoauszüge und meine Monatsabrechnung vorbeizubringen, aber gebracht hat es nichts. "Hallo, ich bin Arbeitslose Nr 131, wenn ich für Sie arbeiten soll, müssen Sie bitte erst im Amt fragen." Wo genau liegt da der Sinn? Und warum wundert sich das Amt da, wenn Arbeitslose keine Nebentätigkeiten mehr annehmen wollen? Ich habe gern dazuverdient und ich hätte es richtig gefunden, wenn mein gesamter Lohn auf mein Arbeitslosengeld angerechnet worden wäre. Darum gehe ich ja arbeiten, hallo! Aber bei wechselnder Auftragslage und damit unterschiedlichen Stunden wäre ich jeden Monat auf unterschiedlichen Lohn gekommen. Jeden Monat mit dem Amtszettel antanzen? Nein, danke! Ich bin doch keine Leibeigene des Amtes, auch keine Schwerverbrecherin, sondern Bürgerin! Und was macht das auf den Arbeitgeber für einen Eindruck, wenn das Amt mich unter Generalverdacht stellt? Bei einem Job, für den ich ein Führungszeugnis - ich habe ein tadelloses - brauche? Genau. Keinen besonders guten.
Nun verstehe ich ganz gut, warum manche, die länger ohne Lohnarbeit sind, völlig zermürbt sind. Das Amt ist auf der einen Seite faul (ja, "faul" hab ich gesagt) und auf der anderen schikanös. Die Beamten dort hätten vielleicht mehr Verständnis für ihre "Kunden" (das heißt jetzt so), wenn sie selbst auch nur angestellt wären, gerne auch mal mit Zeitverträgen und im Mini-Job. Das fände ich fair. Ich habe es ja noch ganz gut getroffen, weil wie gesagt alle freundlich mit mir waren. Aber neulich hat mir eine Bekannte von einem Fall berichtet, da war bei einem Arbeitslosen die Waschmaschine kaputt. Die Ämtlerin meinte, er sei ja allein, er solle lernen, seine Wäsche von Hand zu waschen. Charmant.
Zum Glück endet mein Besuch beim Amt in Kürze, denn ich habe ich eine Jobzusage. Bei einem amerikanischen Unternehmen, mit fortlaufendem Zeitvertrag, puh! Und nächstes Mal erfahrt ihr von mir, warum man in Deutschland seinen Job nicht einfach ändern darf und wie bizarr Vorstellungsgespräche ablaufen können.

Eure Kate

Willkommen im Teehaus!

Hallo, mein Name ist Kate und das hier ist mein virtuelles Teehaus.
Wer gern Tee trinkt, sich für Asien interessiert und sich ab und an von den Geschichten der Wirtin unterhalten lassen möchte, ist genau richtig und findet immer einen freien Tisch für sich.