Sonntag, 27. Januar 2013

Im deutschen Amts-Kindergarten

Ich war jetzt mal einen Monat arbeitslos. In der deutschen Mittelschicht ist das etwas ganz Schlimmes, besonders, wenn man ein Studium und eine Berufsausbildung und auch noch Berufserfahrung hat und so etwas eigentlich nicht passieren darf.
Nun war ich noch nie arbeitslos, also noch nie so, dass ich Geld vom Amt bekommen hätte. (Wobei, ohne Arbeit bin ich eh nie, nur ohne Lohn war ich eben. :) ) Und ich muss sagen, eine interessante Erfahrung ist das, so ein Arbeitsamt. Ich bin ja schon ein halbes Jahr vor meiner Beschäftigungslosigkeit hingerannt, weil mein damaliger Zeitvertrag ausgelaufen ist. Die Sachbearbeiter waren alle freundlich, aber ich hatte nur alle zwei Monate einen Termin und den dann immer bei einem anderen Beamten, dem ich noch einmal alles von Adam und Eva an erzählen durfte. Ist das Absicht oder bloß schlechte Organisation? Jedenfalls: Beamtin A wollte mit mir mein Fähigkeitenprofil ausfüllen, eine ganze halbe Stunde lang. Als ich meinte, das sei Unsinn, denn ich könne das sehr wohl alleine und ich wolle lieber eine richtige Beratung, war sie beleidigt. Die anderen beiden Beamten waren dann freundlicher, aber sie kamen mir auch reichlich ahnungslos vor. Tatsächlich habe ich vom Amt nur genau drei Stellenvorschläge erhalten. Natürlich bin ich selbst in der Lage, mir Arbeit zu beschaffen, nur frage ich mich, warum ich dann ständig im Amt antanzen und hunderte von Bögen ausfüllen soll.
Wie ich erfahren habe, habe ich mich eine Woche zu spät gemeldet - also zu spät gesagt, dass mein Vertrag ohne Verlängerung ausläuft - und wurde deshalb eine Woche gesperrt. Das heißt so, wenn man kein Geld kriegt, weil man ein böser, unartiger Arbeitnehmer/Arbeitsloser war. Soll man sich wohl hinter die Löffel schreiben. Wegen dieser Woche musste ich also hunderte Kopien von hunderten von Bögen anfertigen, die ich an alle möglichen Versicherungen - der Deutsche hat ja Unmengen davon - schicken musste. Denn für diese Woche müssen alle errechnen, was ich ihnen schulde. Ist das ökonomisch? Ich glaube, der Verwaltungsaufwand kostet mehr als meine kleine Zahlung. Aber wenn es dem deutschen Beamten Freude macht, will ich ihm die nicht verderben.(Ich bin da hart im Nehmen, ich kenne den Verwaltungsapparat der  Volksrepublik China. :P )
Überhaupt war ich angesichts der Liste, weswegen man alles gesperrt werden kann, heilfroh, einen Zeitvertrag zu haben! O_O Es ist so in diesem Land, dass du dich mit einem unbefristeten Vertrag komplett an deinen Arbeitgeber verkaufst.Wusste ich gar nicht zum Beispiel. Bei netten Arbeitgebern ist das ja nicht so schrecklich, aber es gibt ja nicht nur nette. Nicht einmal eine gemeinsam vereinbarte Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ist erlaubt! Ich habe noch einmal tief durchgeatmet und meinem früheren Chef zumindest diesbezüglich gedankt. Nun konnte ich mir auch erklären, warum mich Beamtin A so scharf danach gefragt hatte, ob ich mich schon ordentlich um eine Verlängerung des Vertrags bemüht hätte. Das muss man hier so machen! Ich habe also gelernt, Sicherheit, also die totale Sicherheit, geht in Deutschland vor Engagement oder Begeisterung. Das erklärt mir auch die Büroleichen, die überall herumschlappen.
Was man noch tun muss - und da ging es bei mir an die Grenze der Würde, muss ich sagen - ist, bei jedem kleinen Job, den man annimmt, einen Zettel vorzeigen. Diesen Zettel muss dein Gelegenheitsarbeitgeber bei Androhung von Strafe ausfüllen für das Amt. Ich habe meinen Vertrag als frei Beschäftigte zwar im Amt vorgelegt und auch angeboten, meine Kontoauszüge und meine Monatsabrechnung vorbeizubringen, aber gebracht hat es nichts. "Hallo, ich bin Arbeitslose Nr 131, wenn ich für Sie arbeiten soll, müssen Sie bitte erst im Amt fragen." Wo genau liegt da der Sinn? Und warum wundert sich das Amt da, wenn Arbeitslose keine Nebentätigkeiten mehr annehmen wollen? Ich habe gern dazuverdient und ich hätte es richtig gefunden, wenn mein gesamter Lohn auf mein Arbeitslosengeld angerechnet worden wäre. Darum gehe ich ja arbeiten, hallo! Aber bei wechselnder Auftragslage und damit unterschiedlichen Stunden wäre ich jeden Monat auf unterschiedlichen Lohn gekommen. Jeden Monat mit dem Amtszettel antanzen? Nein, danke! Ich bin doch keine Leibeigene des Amtes, auch keine Schwerverbrecherin, sondern Bürgerin! Und was macht das auf den Arbeitgeber für einen Eindruck, wenn das Amt mich unter Generalverdacht stellt? Bei einem Job, für den ich ein Führungszeugnis - ich habe ein tadelloses - brauche? Genau. Keinen besonders guten.
Nun verstehe ich ganz gut, warum manche, die länger ohne Lohnarbeit sind, völlig zermürbt sind. Das Amt ist auf der einen Seite faul (ja, "faul" hab ich gesagt) und auf der anderen schikanös. Die Beamten dort hätten vielleicht mehr Verständnis für ihre "Kunden" (das heißt jetzt so), wenn sie selbst auch nur angestellt wären, gerne auch mal mit Zeitverträgen und im Mini-Job. Das fände ich fair. Ich habe es ja noch ganz gut getroffen, weil wie gesagt alle freundlich mit mir waren. Aber neulich hat mir eine Bekannte von einem Fall berichtet, da war bei einem Arbeitslosen die Waschmaschine kaputt. Die Ämtlerin meinte, er sei ja allein, er solle lernen, seine Wäsche von Hand zu waschen. Charmant.
Zum Glück endet mein Besuch beim Amt in Kürze, denn ich habe ich eine Jobzusage. Bei einem amerikanischen Unternehmen, mit fortlaufendem Zeitvertrag, puh! Und nächstes Mal erfahrt ihr von mir, warum man in Deutschland seinen Job nicht einfach ändern darf und wie bizarr Vorstellungsgespräche ablaufen können.

Eure Kate

Willkommen im Teehaus!

Hallo, mein Name ist Kate und das hier ist mein virtuelles Teehaus.
Wer gern Tee trinkt, sich für Asien interessiert und sich ab und an von den Geschichten der Wirtin unterhalten lassen möchte, ist genau richtig und findet immer einen freien Tisch für sich.